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Tag: Bildungsniveau

Deutschlands Kinder erleben die Natur als unzugängliche Blackbox – falsch verstandener Artenschutz fördert die Unbildung unserer jüngeren Generationen

Die Kröte blähte sich auf wie ein Luftballon, als der Junge mittels Strohhalm Luft in den Anus des Tieres blies. Die Amphibie starb einen qualvollen Tod. Ein Kollege erzählte mir einmal, dass derlei Experimente sein frühkindlicher Zugang zur späteren seriösen Naturbeobachtung gewesen seien. Worin unterscheidet sich dann die brutale Herangehensweise des angehenden Naturwissenschaftlers von der des Sadisten, der aus Lust an der Gewalt agiert?

Nun, der angehende Wissenschaftler stellt sich nach seiner Tat die Frage, wie es überhaupt möglich sein kann, dass sich die Kröte wie ein Luftballon verhält. Um der Lösung des Problems näher zu kommen, hat er vielleicht denselben Versuchsansatz an einer Maus durchgeführt, die dann bei aller Bemühung nicht zur aufgeblähten Kugel heranwachsen wollte. Nun ist Literaturrecherche angebracht: Was unterscheidet die Maus anatomisch vom Frosch? Bessere Biologie-Schulbücher warten mit des Rätsels Lösung auf: Dem Froschlurch fehlen Rippen sowie eine Trennung der Brusthöhle von der Bauchhöhle in Form eines Zwerchfells.

Sollen also Schullehrern ihren Schützlingen, die einmal Karriere als Zoologen machen wollen, dazu raten, für den Fall der Fälle stets ein Sortiment unterschiedlich großer Strohhalme bei sich zu tragen? Die Antwort ist nein, denn Gewalt gegen Tiere ist unmoralisch und daher verwerflich. Derselbe Wissensgewinn lässt sich nämlich auch auf ganz andere Art und Weise erzielen. Denn, wer hätte es gedacht, Kröten können sich auch von ganz alleine aufblasen, ohne dabei Schaden zu nehmen, Mäuse hingegen nicht. Die warzigen Froschlurche tun dies sogar in ganz unterschiedlichen Situationen, nämlich bei Bedrohung durch Fressfeinde, um größer zu erscheinen, und während der Paarung.  Letzteres steht gemäß einer wissenschaftlichen Publikation australischer Forscher aus dem Jahre 2010 im Zusammenhang mit der sogenannten sexuellen Selektion. Weibchen blähen sich auf, so dass nur entsprechend große Männchen sie umschlingen können. Denn je mehr Körpermasse ein Männchen sein Eigen nennt, desto größer ist der Befruchtungserfolg. Zumindest gilt dies so für die australische Riesenkröte Bufo marinus.

Doch Kinder wissen heutzutage weder, dass Kröten und Frösche eine Metamorphose im Wasser durchlaufen, noch, dass sie sich räuberisch ernähren, ganz zu schweigen von einer Schallblase der Männchen oder dem Verlauf des Paarungsverhaltens. Wie also kann aus ihnen die Kröten-Forscher-Generation der Zukunft werden? Doch nur dadurch, dass schon Kinder zur Naturbeobachtung motiviert werden. Und was sich nicht ohne Weiteres im Freiland beobachten lässt, kann oft unter künstlichen Bedingungen bestaunt werden.

Wer schon einmal ein Terrarium gebaut hat, lernt sehr schnell, dass geeignete Tiere darin nur dann ein natürliches Verhalten zeigen, wenn der natürliche Lebensraum so exakt wie möglich nachempfunden wurde. Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Bodengestaltung und geeignete Nahrungsbedingungen sind zu berücksichtigen. Terraristik oder Aquaristik können ein guter Start für ein Kind sein, später einmal den Weg in die Wissenschaft zu finden. Denn die Erkenntnis, dass Arten an einen ökologischen Kontext gebunden sind, lässt sich schwerlich eindrucksvoller gewinnen.

Doch zahlreiche einheimische Tiere stehen unter Artenschutz. Ihr Bestand ist gefährdet. Dies wird von Eltern oder Schullehrern gerne als Vorwand genutzt, um Kinder von der Erkundung der einheimischen Flora und Fauna kategorisch fernzuhalten, anstatt ihren Entdeckungsdrang mit der selbstverständlich gebotenen Rücksichtnahme auf unsere Natur zu unterstützen. Es lassen so leider falsch verstandene Naturschutzbestrebungen der Erziehungsbefugten die Vielfalt unserer Natur zu einer Blackbox für die Heranwachsenden werden. Unsere Artenvielfalt als etwas, von dem Kinder sich fernzuhalten haben. Wer kein Aquarium oder Terrarium anlegen, im Wald nicht von den Wegen abweichen und einen Maikäfer nicht anfassen darf, der erlangt weder Artenkenntnisse noch ein Verständnis von ökologischen Zusammenhängen. Und schlimmer noch: das Interesse an alldem wird gar nicht erst geweckt.

In meiner Zeit als freier Dozent an einer Berliner Universität habe ich Lehramtskandidaten im Master-Studiengang unterrichtet. Auffallend war, wie viele Studenten an Exkursionen nicht teilgenommen haben. Andere zeigten sich echauffiert, wenn bei Waldausflügen vom Wege abgegangen oder Insekten vorübergehend zur Vor-Ort-Bestimmung eingefangen wurden. Doch wie sonst wollen angehende Biologielehrer unseren Nachwuchs von der Vielfalt des Lebens begeistern?

Jungen Biologiestudenten in den ersten Semestern fehlt heutzutage häufig die grundlegende fachliche Allgemeinbildung. In ihrer Schulausbildung können sie daher nur unzureichend ausgebildet worden sein und auch außerhalb des Unterrichts zu wenig Erfahrung gesammelt haben. Nicht nur haben sie noch nie die Entwicklung einer Kaulquappe beobachtet, weil ihnen stets verboten worden ist, einige Froscheier ins heimische Aquarium zu verbringen, auch Zoobesuche gehören offenbar nicht mehr zum Standard moderner Kindererziehung. Nur so ist es zu erklären, dass Biologiestudenten im ersten Semester häufig die Menschenaffen, immerhin unsere nächsten biologischen Verwandten, nicht benennen können.

Mein Weg zur Zoologie lief über die Terraristik. Und ich habe als Kind durchaus Gelbbauchunken, Grasfrösche oder Zauneidechsen, zumindest kurzzeitig, im Terrarium beobachtet. Letzteres ist allerdings heutzutage mancherorts im Saarland, wo ich aufgewachsen bin, kaum mehr möglich, auch nicht in dem Wald- und Wiesenbiotop, das an das Grundstück meines Elternhauses grenzte. Die Zauneidechse (Lacerta agilis) ist hier rar geworden. Doch keineswegs aufgrund der Zudringlichkeiten naturbegeisterter Terrarianer. Es ist vielmehr die Mauereidechse (Podarcis muralis), die an ihrer Stelle nun zunehmend häufiger anzutreffen ist, vermutlich begünstigt durch Klimaveränderungen.

Doch nicht allein die durch den Menschen weltweit hervorgerufene Klimaerwärmung bedroht die bestehende Artenvielfalt. Rücksichtslose Bauvorhaben, das Anlegen von Monokulturen zu agrarwirtschaftlichem Nutzen, die Einführung invasiver Arten oder die verantwortungslose Verschmutzung einheimischer Gewässer führen zur Dezimierung der heimischen Artenvielfalt. Natur- und Artenschutz sind dazu da, dem entgegenzuwirken. Doch kann er nicht ernsthaft das Ziel verfolgen, Kinder davon abzuhalten, mit Gummistiefeln, Insektennetz und Einmachglas die Natur zu erkunden.

Dennoch darf terraristisches Bestreben nicht maßlos sein. Daher ist löblich hervorzuheben, dass Interessensgemeinschaften wie die DGHT (Deutsche herpetologische Gesellschaft) strikten Artenschutzbestimmungen folgen. Denn häufig geht das Interesse an Naturbeobachtungen im heimischen Wohnzimmer weit über das Ziel hinaus, nämlich dann, wenn es in Sammelleidenschaft umschlägt. Wer es zur eigenen Profilierung beispielsweise darauf anlegt, möglichst seltene, gar endemische Arten, sein Eigen zu nennen, der bedroht bestehende Tierpopulationen im In- oder Ausland und muss daher in seine Schranken verwiesen werden.

Im Übrigen lassen sich interessante Tierbeobachtungen hinter Glas nicht nur an der heimischen Fauna erleben. Zahlreiche exotische Tierarten, die sich für die Terrarienhaltung eignen, können heutzutage erfolgreich durch Terrarianer nachgezüchtet werden. Sie eignen sich daher gut für eine ökologisch gut vertretbare Haltung in den eigenen vier Wänden. Ob tropische Ameisen oder exotische bunt schillernde Blatthornkäfer,  sie alle eignen sich hervorragend, um lehrreiches und mitunter sehr ungewöhnliches Tierverhalten studieren zu können.

Die Aufwand des Hobbys Naturerkundung lohnt immer, denn je mehr inhaltlich motivierter wissenschaftlicher Nachwuchs hervorgebracht wird, desto größer sind die Chancen, unsere Artenvielfalt auch in Zukunft effektiv schützen zu können. Der britische Astrophysiker Steven Hawking verwies kürzlich in einem Vortrag an der University of Cambridge auf die Fragilität unseres Planeten, auf dem die Menschheit seiner Einschätzung nach die nächsten tausend Jahre nicht überleben wird. Umso wichtiger ist es für kommende Generationen, über ein umfassendes Umweltbewusstsein  zu verfügen. Die Basis hierfür ist ein gutes Bildungsniveau, und hierzu gehören auch aktive Naturerlebnisse, und zwar bereits in der Kindheit.

Ganz allgemein ist das Bildungsniveau Heranwachsender in Deutschland im internationalen Vergleich derzeit schlecht. Gute Lehrer wecken und unterstützen die Wissbegierde ihrer Schüler. Schlechte Lehrer haben selbst nie Wissbegierde gekannt. Sie sind daher für ihren Beruf ungeeignet.

 

 

Copyrights Stefan F. Wirth, November 2016.

Die PISA-Studie und Deutschlands Bildungsarmut

Sie ist blond und selbstbewusst. Sie verfügt über eine beachtliche Oberweite und ist es gewohnt zu bekommen, was sie gerne möchte (Haarfarbe verfremdet, um keine individuelle Person durch diesen Artikel erkennbar werden zu lassen). Und sie ist verärgert, redet sich geradezu in Range. Doch was war geschehen?

Wir befinden uns in meinem Kurs „Ökologie und Evolution“ für Lehramtsstudenten im Masterstudiengang an der FU Berlin vor ungefähr drei Jahren. Eigentlich beginnt der Kurstag mit einer Vorlesung und geht dann in ein mehrstündiges Praktikum über.

Doch am ersten Tag der Lehrveranstaltung verschiebt sich üblicher Weise alles erheblich nach hinten, an ein konzentriertes Arbeiten während des praktischen Teils ist daher meist kaum zu denken. Denn auf den ersten Kurstag pflegten sich die Studenten stets so außergewöhnlich gut vorzubereiten, dass die damit verbundenen Diskussionen leicht Stunden in Anspruch nehmen konnten. Die Anlässe des Gesprächsbedarfs waren immer ähnlich und ließen sich unter einem gemeinsamen Nennern zusammenfassen: Lehramtsstudenten, insbesondere im fortgeschrittenen Studium, sind gerne faul. Sie möchten die zu erbringende Leistung schon von Beginn an erheblich verringert wissen. Denn vorgeblich sind sie durch die Anforderungen ihres Studiums bereits so sehr beansprucht, dass ihnen wahrlich nicht noch viel mehr aufgebürdet werden könne. In Wahrheit üben sie bereits für die nicht mehr ferne praktische Arbeit an deutschen Schulen. Und die sieht mehrheitlich bekanntermaßen so aus: hohe Gehälter, luxuriöse Urlaubsreisen in den Ferienzeiten der Schüler, kein Engagement und kein Interesse an der Lehre, häufige Krankschreibungen und Unkündbarkeit aufgrund des Beamtenstatus. Was für ein Leben!

An jenem Tage also ließ mich Sabine Schwund (Name geändert) gar nicht erst zu Wort kommen. Noch bevor ich meinen ersten Gruß an die neuen Studenten entrichten konnte, sprudelte es aus ihr heraus: Sie habe die im Vorlesungsverzeichnis offiziell angekündigte Gesamtstundenzahl, die für den Kurs veranschlagt worden war, überprüft und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kurs in seiner Gesamtdauer einige Stunden zu lang sei. Gut, natürlich hätte sie auch schweigen und sich darüber freuen können, mehr Lehre als normaler Weise vorgesehen erfahren zu dürfen. Doch das entspricht nun gar nicht der Neigung von Frau Schwund, auch nicht der Neigung der Mehrzahl ihrer Kommilitonen. Der Kurs sollte, so die unerbittliche Forderung, auf das rechte Maß hinunter gekürzt werden. Ich war beeindruckt und kündigte an, dies durch die zuständige Sachbearbeiterin der Universität überprüfen zulassen. Im Ergebnis war der Kurs dann in der Tat entsprechend zu verringern.

Doch das genügte Frau Schwund nicht, die diesen Erfolg sicherlich bereits vor Beginn der ersten Vorlesung absehen konnte. Denn auch an der täglichen Dauer der Kurstage störte sie sich empfindlich, und damit war sie unter ihren Kommilitonen nicht allein. Einen solch langen täglichen Praktikums-Teil wollte sich Frau Schwund nicht vorstellen müssen. Allerdings musste sie in diesem Anliegen trotz ihrer eisigen fordernden Blicke als Bittstellerin auftreten, denn die tägliche Stundenzahl entsprach exakt derjenigen, die von der Lehrveranstaltung erwartet wurde. Da ich zunächst entsprechend abweisend reagierte, sah sich Frau Schwund schnell gezwungen, andere Seiten aufzuziehen. Auf ein Zeichen von ihr hin fiel ein Großteil der Studenten in ihr Gezeter ein, so dass ich mich bedrängt fühlte und im Namen eines harmonischen Ablaufes zustimmte, den Praktikumsteil etwas zu verkürzen. Wahrhaft unglaublich, mag sich der Leser an dieser Stelle wohl denken. Doch dann kennt der Leser moderne Lehramtsstudenten noch nicht und insbesondere nicht Sabine Schwund. Denn noch vor Beginn meiner ersten Vorlesung kündigte ich an, über die Zeitdauer des gesamten Kurses hinweg gleich mehrere Exkursionen durchführen zu wollen.

Natürlich wusste ich längst, dass Lehramtsstudenten, vor allem, wenn sie bereits das Master-Niveau erreicht haben, für Inhalte ihres eigenen Lehrfachs eher nicht zu begeistern sind. Diese also durch anstrengende und unspektakuläre Exkursionen vertiefen zu wollen, kann nur zum Scheitern verurteilt sein. Also bot ich stets besonders attraktive Ziele an, um die Studenten zu ermutigen, sich in exklusivem Ambiente der Vertiefung ihrer Kenntnisse zur Ökologie und Evolutionsbiologie widmen zu können. So fanden in meinen Lehrveranstaltungen regelmäßige Sammelexkursionen ins „Tropical Islands“ statt, einer riesigen Wasser-Wellness-Freizeitanlage, die auch tropische Pflanzen in großer Zahl beinhaltet. Bekanntermaßen sind in der Einrichtung interessante kleine Organismen anzutreffen, die tropischen Ursprungs sind und über den internationalen Pflanzen-Versand verbreitet werden. Diese Organismen schaden niemandem, können auch nur innerhalb von Gewächshäusern überleben, sind aber aus biologischer Sicht oft sehr spannend. Als Beispiel hierfür sind die Zwerggeißelskorpione aufzuführen, die in der Einrichtung regelmäßig angetroffen werden können. Selbstverständlich war der Eintritt für Studenten frei. Außerdem war es erlaubt, nach Beendigung der offiziellen Exkursion privat im Tropical Islands zu verbleiben. Eine weitere Exkursion führte hinter die Kulissen des Berliner Naturkundemuseums oder in die Gewächshäuser des Botanischen Gartens, die ebenfalls eine tierische Artengemeinschaft tropischen Ursprungs zu verzeichnen haben. Im Sommer stand zudem eine Sammelexkursion in den Berliner Grunewald auf dem Programm. Hier galt es, sich dem komplexen Ökosystem eines Areals aus ehemaligen Kiesgruben zu widmen. Wer noch nie eine Ringelnatter, eine Blindschleiche und diverse Amphibien „in echt“ gesehen hatte, kam hier stets auf seine Kosten.

Und doch wurde mein Engagement, den Studenten mehr als üblich nahebringen zu wollen, keineswegs positiv gewürdigt. Schon erst recht nicht durch Frau Schwund, die sofort, nachdem die geplanten Exkursionen Erwähnung fanden, wusste, dass dies eine Überforderung von Lehramtsstudenten im Masterstudiengang darstellte. Also erkämpfte sich die wackere Sabine zusammen mit den ihr zur Seite stehenden Kommilitonen eine Exkursion weniger.

Doch bereits im Vorfeld hatte nicht nur Frau Schwund ein gutes Argument parat, um letztlich auch eine der noch verbliebenen Exkursionen schamlos schwänzen zu können. Denn irriger Weise gingen die Studenten dieser Kursreihe fast immer davon aus, ihnen stünde eine bestimmte Anzahl an Fehltagen per se zu. So nahmen also in jenem Semester nur 50 Prozent der Kursteilnehmer (also etwa 12 Studenten) an der Exkursion ins Tropical Islands teil.

Der Kurs wurde dann bei Ablauf des Semesters durch eine Klausur beendet. Und die unterschied sich stets deutlich von Klausuren anderer Lehrveranstalter im Institut. Denn das Multiple-Choice-Prinzip ist für mich indiskutabel, verhindert es doch, den Studenten zum Denken in klaren Zusammenhängen zu nötigen. Stattdessen war, sehr zum Missfallen von Sabine Schwund, neben Aufzählungen und Beschriftungen wissenschaftlicher Skizzen auch ein anderer Lösungsweg zu begehen: Fragen sollten in Form eines zusammenhängenden schriftlichen Textes beantwortet werden.

Die haarsträubenden Konsequenzen unseres desaströs schlechten Bildungssystems kamen hier nicht selten deutlich zum Ausdruck: Rechtschreibeschwäche, grammatikalische Unkenntnis der eigenen Sprache sowie die Unfähigkeit, in logischen Zusammenhängen zu formulieren, ließen meine Korrektur-Arbeiten häufig zu einem traurigen Erlebnis werden.

Heute sind Frau Schwund und ihre Kommilitonen von damals längst in deutschen Schulen unterwegs. Doch was können sie dort tatsächlich leisten, was sind sie imstande, unserem Nachwuchs zu vermitteln, mit auf den Weg zu geben?

Die inzwischen unter Lehrern verhassten Pisa-Studien zeigen im internationalen Vergleich eindeutig immer und immer wieder auf, dass nur wenig an die Schüler vermittelt wird. Die fehlende Allgemeinbildung der Erstsemester-Studenten an den Universitäten belegt dies zusätzlich, wie mir Kollegen immer wieder bestätigten.

Man darf von Lehrern, die einmal solche Studenten gewesen sind, wie ich sie oben beschreibe, auch nicht allzu viel erwarten. Im Grunde darf man von ihnen sogar nichts, absolut überhaupt nichts erwarten.

Da nutzt es gar nichts, dass wir derzeit so viele unterschiedliche Schulsysteme aufweisen können wie niemals zuvor. Denn auch bei herabgesetztem Autoritätsverhältnis zwischen Schülern und Lehrern kann nur dann der Lehrer dem Schüler ein rundes Wissen vermitteln, wenn er selbst auch über ein solches verfügt. Das ist aber oft nicht der Fall. Und die aktuelle Regierung scheint weit davon entfernt zu sein, diesen Zustand ändern zu wollen. Was durchaus nachvollziehbar erscheint, wenn man bedenkt, dass das Bildungsniveau selbst in den höchsten politischen Kadern derzeit eher nicht sehr hoch angesiedelt zu sein scheint.

Ein weitreichendes Bildungssystem, wie es Deutschland einmal besessen hat, würde wohl kaum Wähler hervorbringen, die ihr Kreuz für die aktuellen Regierungsparteien setzen würden.

Aber auch einer Regierung aus Bräsköpfen muss doch klar sein, dass Unbildung einer breiten Bevölkerung letztlich zu ökonomisch unvorteilhaften Konsequenzen führen muss.

Ich sehe das Problem an unseren Schulen nicht bei den Schülern und auch nicht in deren familiärem Umfeld. Die schlechte Schulbildung in Deutschland ist ganz alleine auf inkompetentes und unmotiviertes Lehrpersonal zurückzuführen. Dies wird zudem durch eine kontraproduktive und hilflose Politik gefördert.

Es besteht daher dringender Handlungsbedarf. Es müssen die richtigen Charaktere motiviert werden, sich für das Lehramt zu entscheiden. Nicht die Faulen und Hirnentleerten sollten auf unseren Nachwuchs losgelassen werden. Nur die richtigen Arbeitsvoraussetzungen werden dazu führen, bereits im studentischen Vorfeld die Spreu vom Weizen zu trennen.

Lehrer müssen bei Fehlverhalten, nachweislicher Inkompetenz und ungewöhnlicher Urlaubsfreudigkeit unkompliziert kündbar sein, so wie in anderen Berufen auch. Daher muss der Beamtenstand für Lehrer deutschlandweit vollständig abgeschafft werden!

Zwar haben sich bereits einzelne Bundesländer, wie zum Beispiel Berlin, dazu entschieden, entsprechende Schritte einzuleiten, doch dies bleibt ohne Erfolg, solange der Umweg über andere Bundesländer ins Beamtentum noch möglich ist. Üblich ist es beispielsweise, den fehlenden Beamtenstatus in Berlin zu umgehen, in dem man sich über Hamburg anstellen und dann nach Berlin versetzen lässt.

Doch nicht nur unkündbares Lehrpersonal belastet unseren Nachwuchs. Auch ausgeprägte Renitenzen bezüglich der Verweigerung, an regelmäßigen Fortbildungen teilzunehmen, verschlimmern die fehlende Wissensvermittlung durch Lehrer an ihre Schüler. Daher sind solche Lehrer, die die Ferienzeiten ihrer Schüler als eigene Urlaubszeiten betrachten, umgehend fristlos zu entlassen.

Leider sind für viele Lehramtsstudenten die guten Verdienstmöglichkeiten im Zusammenhang mit häufigen Urlaubszeiten ein großer Ansporn, diesen Berufsweg überhaupt einschlagen zu wollen. Dies ist unter anderem auch dadurch zu verhindern,  Lehrergehälter auf ein vernünftiges Maß zu kürzen.

Im Beamten-Stand verdient ein Gymnasiallehrer (abhängig von der konkreten Besoldungsstufe) netto mindestens um die 2800-3000 Euro. In Ländern wie Sachsen oder Berlin, in denen Lehrer nicht mehr verbeamtet werden können, liegt das Gehalt deutlich niedriger. Ein Einstiegsgehalt von netto um 1900 Euro ist für Lehrer weiterführender Schulen offenbar nicht ungewöhnlich.

Ich sage: Wer Reichtum anstelle fleißigen Engagements anstrebt, ist im Lehrberuf Fehl am Platze. Derjenige sollte lieber mit Aktien spekulieren oder eine Manager-Laufbahn in einer Bank absolvieren.

Der Blick auf einschlägige Internet-Foren zeigt klar, wofür sich angehende Lehrer interessieren: die Höhe der Gehälter in den verschiedenen Bundesländern, die Anzahl an Schulferien-Tagen sowie die Möglichkeit der Verbeamtung. All diese Anwärter auf das Lehramt müssen bei ihren Recherchen bereits im Vorfeld so sehr enttäuscht werden, dass sie sich für Tätigkeiten in anderen Berufsfeldern entscheiden. Nur hochmotivierte Idealisten können ein Bildungssystem voran bringen!

Wenn es dann auch noch gelingt, die zahlreichen Pädagogik-Veranstaltungen, die angehende Lehrer während ihres Studiums zu absolvieren haben, stark zu reduzieren, und zwar zugunsten der fachlichen Ausbildung, wird man feststellen, dass sich ganz andere Persönlichkeiten berufen fühlen, ihr Leben dem Lehramt zu widmen. Bessere Leute werden dies sein, die Freude an der Vermittlung von Wissen haben und eben nicht nach luxuriöser Faulheit streben. Wer aus Überzeugung und Begeisterung für das eigene Fach Wissen an Heranwachsende vermitteln möchte, wird automatisch nach etwas Übung dabei auch pädagogisch überzeugen. Überbordende Schwerpunkte der Lehramtsstudenten im Bereich der theoretischen Pädagogik sind redundant.

Auch die neueste Pisa-Studie fällt ernüchternd für Deutschland aus, und das, obwohl leichte Fortschritte hervorgehoben werden. Die Förderung leistungsschwacher Schüler habe sich nämlich immerhin verbessert. Dies ändert jedoch offenbar nichts daran, dass Schüler allgemein auch einfachste Aufgaben nicht zu lösen imstande sind (Quellen: z. B. Berichte der „Tagesschau“).

Ein Regierungswechsel (nach links, nach deutlich links!) scheint mir deutlich angeraten, um Deutschland nicht in einer breitgefächerten Bildungsarmut versumpfen sehen zu müssen.

Copyrights Stefan F. Wirth, 2016