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Tag: Naturwissenschaften

Deutschlands Kinder erleben die Natur als unzugängliche Blackbox – falsch verstandener Artenschutz fördert die Unbildung unserer jüngeren Generationen

Die Kröte blähte sich auf wie ein Luftballon, als der Junge mittels Strohhalm Luft in den Anus des Tieres blies. Die Amphibie starb einen qualvollen Tod. Ein Kollege erzählte mir einmal, dass derlei Experimente sein frühkindlicher Zugang zur späteren seriösen Naturbeobachtung gewesen seien. Worin unterscheidet sich dann die brutale Herangehensweise des angehenden Naturwissenschaftlers von der des Sadisten, der aus Lust an der Gewalt agiert?

Nun, der angehende Wissenschaftler stellt sich nach seiner Tat die Frage, wie es überhaupt möglich sein kann, dass sich die Kröte wie ein Luftballon verhält. Um der Lösung des Problems näher zu kommen, hat er vielleicht denselben Versuchsansatz an einer Maus durchgeführt, die dann bei aller Bemühung nicht zur aufgeblähten Kugel heranwachsen wollte. Nun ist Literaturrecherche angebracht: Was unterscheidet die Maus anatomisch vom Frosch? Bessere Biologie-Schulbücher warten mit des Rätsels Lösung auf: Dem Froschlurch fehlen Rippen sowie eine Trennung der Brusthöhle von der Bauchhöhle in Form eines Zwerchfells.

Sollen also Schullehrern ihren Schützlingen, die einmal Karriere als Zoologen machen wollen, dazu raten, für den Fall der Fälle stets ein Sortiment unterschiedlich großer Strohhalme bei sich zu tragen? Die Antwort ist nein, denn Gewalt gegen Tiere ist unmoralisch und daher verwerflich. Derselbe Wissensgewinn lässt sich nämlich auch auf ganz andere Art und Weise erzielen. Denn, wer hätte es gedacht, Kröten können sich auch von ganz alleine aufblasen, ohne dabei Schaden zu nehmen, Mäuse hingegen nicht. Die warzigen Froschlurche tun dies sogar in ganz unterschiedlichen Situationen, nämlich bei Bedrohung durch Fressfeinde, um größer zu erscheinen, und während der Paarung.  Letzteres steht gemäß einer wissenschaftlichen Publikation australischer Forscher aus dem Jahre 2010 im Zusammenhang mit der sogenannten sexuellen Selektion. Weibchen blähen sich auf, so dass nur entsprechend große Männchen sie umschlingen können. Denn je mehr Körpermasse ein Männchen sein Eigen nennt, desto größer ist der Befruchtungserfolg. Zumindest gilt dies so für die australische Riesenkröte Bufo marinus.

Doch Kinder wissen heutzutage weder, dass Kröten und Frösche eine Metamorphose im Wasser durchlaufen, noch, dass sie sich räuberisch ernähren, ganz zu schweigen von einer Schallblase der Männchen oder dem Verlauf des Paarungsverhaltens. Wie also kann aus ihnen die Kröten-Forscher-Generation der Zukunft werden? Doch nur dadurch, dass schon Kinder zur Naturbeobachtung motiviert werden. Und was sich nicht ohne Weiteres im Freiland beobachten lässt, kann oft unter künstlichen Bedingungen bestaunt werden.

Wer schon einmal ein Terrarium gebaut hat, lernt sehr schnell, dass geeignete Tiere darin nur dann ein natürliches Verhalten zeigen, wenn der natürliche Lebensraum so exakt wie möglich nachempfunden wurde. Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Bodengestaltung und geeignete Nahrungsbedingungen sind zu berücksichtigen. Terraristik oder Aquaristik können ein guter Start für ein Kind sein, später einmal den Weg in die Wissenschaft zu finden. Denn die Erkenntnis, dass Arten an einen ökologischen Kontext gebunden sind, lässt sich schwerlich eindrucksvoller gewinnen.

Doch zahlreiche einheimische Tiere stehen unter Artenschutz. Ihr Bestand ist gefährdet. Dies wird von Eltern oder Schullehrern gerne als Vorwand genutzt, um Kinder von der Erkundung der einheimischen Flora und Fauna kategorisch fernzuhalten, anstatt ihren Entdeckungsdrang mit der selbstverständlich gebotenen Rücksichtnahme auf unsere Natur zu unterstützen. Es lassen so leider falsch verstandene Naturschutzbestrebungen der Erziehungsbefugten die Vielfalt unserer Natur zu einer Blackbox für die Heranwachsenden werden. Unsere Artenvielfalt als etwas, von dem Kinder sich fernzuhalten haben. Wer kein Aquarium oder Terrarium anlegen, im Wald nicht von den Wegen abweichen und einen Maikäfer nicht anfassen darf, der erlangt weder Artenkenntnisse noch ein Verständnis von ökologischen Zusammenhängen. Und schlimmer noch: das Interesse an alldem wird gar nicht erst geweckt.

In meiner Zeit als freier Dozent an einer Berliner Universität habe ich Lehramtskandidaten im Master-Studiengang unterrichtet. Auffallend war, wie viele Studenten an Exkursionen nicht teilgenommen haben. Andere zeigten sich echauffiert, wenn bei Waldausflügen vom Wege abgegangen oder Insekten vorübergehend zur Vor-Ort-Bestimmung eingefangen wurden. Doch wie sonst wollen angehende Biologielehrer unseren Nachwuchs von der Vielfalt des Lebens begeistern?

Jungen Biologiestudenten in den ersten Semestern fehlt heutzutage häufig die grundlegende fachliche Allgemeinbildung. In ihrer Schulausbildung können sie daher nur unzureichend ausgebildet worden sein und auch außerhalb des Unterrichts zu wenig Erfahrung gesammelt haben. Nicht nur haben sie noch nie die Entwicklung einer Kaulquappe beobachtet, weil ihnen stets verboten worden ist, einige Froscheier ins heimische Aquarium zu verbringen, auch Zoobesuche gehören offenbar nicht mehr zum Standard moderner Kindererziehung. Nur so ist es zu erklären, dass Biologiestudenten im ersten Semester häufig die Menschenaffen, immerhin unsere nächsten biologischen Verwandten, nicht benennen können.

Mein Weg zur Zoologie lief über die Terraristik. Und ich habe als Kind durchaus Gelbbauchunken, Grasfrösche oder Zauneidechsen, zumindest kurzzeitig, im Terrarium beobachtet. Letzteres ist allerdings heutzutage mancherorts im Saarland, wo ich aufgewachsen bin, kaum mehr möglich, auch nicht in dem Wald- und Wiesenbiotop, das an das Grundstück meines Elternhauses grenzte. Die Zauneidechse (Lacerta agilis) ist hier rar geworden. Doch keineswegs aufgrund der Zudringlichkeiten naturbegeisterter Terrarianer. Es ist vielmehr die Mauereidechse (Podarcis muralis), die an ihrer Stelle nun zunehmend häufiger anzutreffen ist, vermutlich begünstigt durch Klimaveränderungen.

Doch nicht allein die durch den Menschen weltweit hervorgerufene Klimaerwärmung bedroht die bestehende Artenvielfalt. Rücksichtslose Bauvorhaben, das Anlegen von Monokulturen zu agrarwirtschaftlichem Nutzen, die Einführung invasiver Arten oder die verantwortungslose Verschmutzung einheimischer Gewässer führen zur Dezimierung der heimischen Artenvielfalt. Natur- und Artenschutz sind dazu da, dem entgegenzuwirken. Doch kann er nicht ernsthaft das Ziel verfolgen, Kinder davon abzuhalten, mit Gummistiefeln, Insektennetz und Einmachglas die Natur zu erkunden.

Dennoch darf terraristisches Bestreben nicht maßlos sein. Daher ist löblich hervorzuheben, dass Interessensgemeinschaften wie die DGHT (Deutsche herpetologische Gesellschaft) strikten Artenschutzbestimmungen folgen. Denn häufig geht das Interesse an Naturbeobachtungen im heimischen Wohnzimmer weit über das Ziel hinaus, nämlich dann, wenn es in Sammelleidenschaft umschlägt. Wer es zur eigenen Profilierung beispielsweise darauf anlegt, möglichst seltene, gar endemische Arten, sein Eigen zu nennen, der bedroht bestehende Tierpopulationen im In- oder Ausland und muss daher in seine Schranken verwiesen werden.

Im Übrigen lassen sich interessante Tierbeobachtungen hinter Glas nicht nur an der heimischen Fauna erleben. Zahlreiche exotische Tierarten, die sich für die Terrarienhaltung eignen, können heutzutage erfolgreich durch Terrarianer nachgezüchtet werden. Sie eignen sich daher gut für eine ökologisch gut vertretbare Haltung in den eigenen vier Wänden. Ob tropische Ameisen oder exotische bunt schillernde Blatthornkäfer,  sie alle eignen sich hervorragend, um lehrreiches und mitunter sehr ungewöhnliches Tierverhalten studieren zu können.

Die Aufwand des Hobbys Naturerkundung lohnt immer, denn je mehr inhaltlich motivierter wissenschaftlicher Nachwuchs hervorgebracht wird, desto größer sind die Chancen, unsere Artenvielfalt auch in Zukunft effektiv schützen zu können. Der britische Astrophysiker Steven Hawking verwies kürzlich in einem Vortrag an der University of Cambridge auf die Fragilität unseres Planeten, auf dem die Menschheit seiner Einschätzung nach die nächsten tausend Jahre nicht überleben wird. Umso wichtiger ist es für kommende Generationen, über ein umfassendes Umweltbewusstsein  zu verfügen. Die Basis hierfür ist ein gutes Bildungsniveau, und hierzu gehören auch aktive Naturerlebnisse, und zwar bereits in der Kindheit.

Ganz allgemein ist das Bildungsniveau Heranwachsender in Deutschland im internationalen Vergleich derzeit schlecht. Gute Lehrer wecken und unterstützen die Wissbegierde ihrer Schüler. Schlechte Lehrer haben selbst nie Wissbegierde gekannt. Sie sind daher für ihren Beruf ungeeignet.

 

 

Copyrights Stefan F. Wirth, November 2016.

Das Zeitalter des Menschen – Homo sapiens im Konflikt mit seiner Umwelt im Anthropozän

blue blossom signiert

 

Der Mensch kontrolliert zunehmend seinen Planeten. Ist es daher richtig, ihm namentlich ein neues geologisches Zeitalter zu widmen? Das gut lesbare Buch „Die Welt im Anthropozän“ gibt hierauf Antworten, beleuchtet darüber hinaus aber auch, welche Verantwortung dem Menschen für die Gestaltung seiner eigenen Zukunft obliegt.

Der übergeordnete erdgeschichtliche Zeitabschnitt, in dem wir uns jetzt gerade befinden, ist das Quartär. Es handelt sich dabei um ein vergleichsweise lächerlich kurzes Zeitalter, das „erst“ vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann. In seinem Verlauf vollzogen sich Änderungen an der Erdoberfläche, die gemessen an allen vorausgehenden Ereignissen auf der Erde seit ihrer Entstehung vor etwa 4,6 Milliarden Jahren allenfalls graduell sind.

Und doch ist innerhalb des Quartärs etwas geschehen, das für ein künftiges Fortbestehen der Erde von immenser Bedeutung sein wird: Die Evolution des intellektuell begabten modernen Menschen, ausgehend von urtümlicheren Vertretern der Gattung Homo.

Es ist wissenschaftlich gesichert, dass sich wesentliche Abschnitte der Menschwerdung in Afrika zugetragen haben. Hierzu gehört die Evolution des aufrechten Ganges, aber vor allem auch die nachfolgende Vergrößerung der Großhirnrinde, die in die Zeit des Quartärs fällt. Erst mit frühen Vertretern der Gattung Homo haben Ausbreitungsereignisse auf den eurasischen Kontinent und in der Folge auch auf andere Kontinente stattgefunden.

Ein bedeutender Teil der Evolution des Menschen ist mit dem Quartär in eine äußerst wechselhafte Zeitperiode gefallen. Die Besonderheit des Quartärs besteht nämlich darin, dass Kalt- und Warmzeiten einander immer wieder abwechselten. Was für widrige Umstände für das Leben früher Hominiden, mag sich der Leser jetzt denken, doch aus evolutionsbiologischer Sicht ist dem keineswegs so. Denn je unsteter die Umweltbedingungen sind, desto leichter werden Artbildungsprozesse in Gang gesetzt. Nur so konnten wir in unserer heutigen Form evolvieren. Insbesondere die Existenz eiszeitlicher Gletscher ist für sogenannte allopatrische Artneuentstehungen sehr bedeutsam, denn sie fungierten nachweislich für zahlreiche Tiergruppen als nicht überwindbare Barrieren, so dass die Evolution neuer Arten begünstigt wurde. Die späte Evolution des Menschen war also geprägt durch diese starken globalen klimatischen Veränderungen.

Heute trägt der Mensch erheblich selbst zur Entstehung des Klimas auf der Erde und dem Fortbestand ihrer Artenvielfalt bei. Und zwar in einer Effizienz, zu der vor ihm kein einziger tierischer Erdenbewohner jemals imstande war.

Doch ist die besondere Einwirkung des modernen Menschen auf das Weltklima auch dazu geeignet, von den üblichen Kriterien zur Benennung von Erdzeitabschnitten abzuweichen und das neueste Zeitalter nach dem Menschen selbst zu benennen? Sind die Auswirkungen menschlicher Aktivität auf das Weltklima tatsächlich mit gravierenden geologischen Veränderungen der Erde gleichzusetzen, die üblicher Weise zur Benennung von Erdzeitaltern herangezogen werden? Ist also die Einführung eines Zeitalters namens Anthropozän gerechtfertigt? Eine Frage, die keineswegs erst infolge einer aktuell nachweisbaren und scheinbar durch den Menschen hervorgerufenen Klimaerwärmung laut wird. Der Zoologe und Philosoph Ernst Haeckel äußert sich bereits 1870 weitsichtig und realistisch: „Aus diesem Grunde…können wir mit vollem Rechte die Ausbreitung des Menschen mit seiner Cultur als Beginn eines besonderen letzten Hauptabschnitts der organischen Erdgeschichte bezeichnen.“

In dem Buch „Die Welt im Anthropozän, Erkundungen im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Humanität“ der Herausgeber Wolfgang Haber, Martin Held und Markus Vogt wird die historische Entwicklung des Begriffes „Anthropozän“ zusammengefasst. Namhafte Geistes- und Naturwissenschaftler diskutieren darüberhinaus, wie der Mensch am besten seine Verantwortung für die Zukunft der Erde wahrnehmen kann.

Dass der moderne Mensch heutzutage starken Einfluss auf das Weltklima ausübt und dadurch erheblich an einer Klimaerwärmung und dem damit verbundenen Aussterben von Arten verantwortlich sei, ist ein breiter Konsens unter vielen zeitgenössischen Wissenschaftlern. In den 1980er Jahren hat der Biologe Eugene F. Stoermer aus diesem Grunde bereits den Begriff Anthropozän in seinen Veröffentlichungen verwendet. Der Erdsystem-Forscher Paul J. Crutzen rät in einer Publikation aus dem Jahre 2000 ergänzend, das derzeitige Zeitalter sogar offiziell durch das Anthropozän abzulösen.

Formell befinden wir uns derzeit jedoch noch immer im jüngsten Zeitabschnitt innerhalb des Quartärs, der als Holozän bezeichnet wird und vor etwa 11700 Jahren begann. Auch diese Periode ist nach rein geologischen Gesichtspunkten definiert worden. Sie beginnt mit dem Ende der sogenannten jüngeren Tundrenzeit, einer kürzeren Eiszeit, die auf die letzte große Kaltzeit, zu der in Nordeuropa das Weichsel-Glazial gezählt wird, folgte.

Der Beginn des Holozäns wird mit einer nachweisbaren ungewöhnlich schnellen Wiedererwärmung nach der Tundrenzeit begründet. Als Beleg hierfür dient ein Eisbohrkern aus fast 1500 m Tiefe, der in Form seiner Isotopenchemie aufzeigt, dass sich eine merkliche Klimaerwärmung zu jener Zeit innerhalb von wenigen Jahren vollzogen haben muss. Er wird in Kopenhagen aufbewahrt.

Doch wie könnte es gelingen, möglichst präzise den Beginn eines neuen Zeitalters festzulegen, das eben nicht aufgrund rein geologischer Abläufe, sondern nach der Aktivität einer besonderen Tierart, nämlich dem Menschen, benannt werden soll? Hierüber herrscht noch Uneinigkeit, wie dem Buch „Die Welt im Anthropozän“ zu entnehmen ist. Forscher haben schon den Beginn der industriellen Revolution, aber auch die große Akzeleration um 1950 als möglichen Startpunkt des Anthropozäns vorgeschlagen, jedoch sogar ganz konkret auch den 16. Juli 1945 (den Tag des ersten Atombombentestversuchs).

Um den Begriff des Anthropozäns aber letztlich erfolgreich als offizielles Erdzeitalter etablieren zu können, ist vor allem auch eines wichtig: der Nachweis, dass der moderne Mensch inzwischen tatsächlich die Hauptverantwortung für die aktuell einsetzende Klimaerwärmung und ein damit einhergehendes Aussterben von Arten trägt. Hierzu kann allein die naturwissenschaftliche Forschung beitragen, während es die Aufgabe der Geisteswissenschaften ist, sich mit ethischen Gesichtspunkten im Umgang des Menschen mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen.

Es ist unter Wissenschaftlern durchaus umstritten, ob die derzeitige weltweite Klimaerwärmung vollständig oder zumindest zu einem beträchtlichen Teil auf menschliche Aktivitäten, so etwa seine hohen CO2-Emissionen, zurückgeführt werden kann. Denn seit Anbeginn des Quartärs hat sich das Klima nach Kaltzeiten immer wieder aufs Neue erwärmt, und zwar zunächst völlig ohne Zutun des Homo sapiens.

In dem Kapitel „Der Mensch und das Anthropozän – Hat das sechste Massenaussterben bereits begonnen?“ widmet sich der Evolutionsbiologe und Pflanzenphysiologe Ulrich Kutschera der Frage, ob Klimaveränderung und ein aktuelles Aussterben von Arten mit menschlichen Aktivitäten korrelieren. Ist der Mensch sogar imstande, künftig ein neues Massenaussterben von Arten zu verursachen? Unter anderem legt der Autor bezugnehmend auf seine eigene Forschung dar, dass sehr aktuelle Aussterbeereignisse überhaupt nachweisbar seien. Allerdings präsentiert der Autor lediglich zwei Fall-Beispiele. Wir erfahren leider nicht, ob es ein bloßer persönlicher Eindruck des Forschers ist, diese Tiere seien im Vorkommen seltener geworden oder ob repräsentative wissenschaftliche Studien zugrunde liegen. So ist der Europäische Landegel (Xerobdella lecomptei), eine kälteliebende und ohnehin seltene Art aus der Gruppe der Ringelwürmer, in seinem ursprünglichen Lebensraum kaum mehr anzutreffen. Die Klimaerwärmung brachte gemäß Kutscheras Forschungserkenntnissen aber auch einen Vertreter einer ganz anderen Tiergruppe an den Rand des Aussterbens. Der kalifornische Baumsalamander (Aneides lugubris) wird nämlich zunehmend seltener, da die zu seiner Brutpflege benötigten feuchten Baumhöhlen aufgrund anhaltender Trockenheit kaum mehr zur Verfügung stehen.

Der Autor legt einen Zusammenhang mit modernen Aussterbeereignissen und der Technologisierung des Menschen nahe. Insbesondere das Treibhausgas Kohlendioxid, das seit Jahrzehnten in großer Menge, zum Beispiel durch die Automobilindustrie, ausgeschieden wird, habe eine erhebliche Mitschuld an der globalen Klimaerwärmung. Der Zusammenhang wird jedoch mit keinem Wort nachvollziehbar begründet. Der Leser muss sich also mit einer Behauptung zufrieden geben. Der Begriff des katastrophenartigen Massenaussterbens von Arten kann übrigens auf den französischen Naturforscher Georges Cuvier (1769-1832) zurückgeführt werden, der anhand wechselnder Artenzusammensetzungen in Sedimentschichten Katastrophentheorien aufstellte. Kutschera stellt uns nun eine weitere Aussterbe-Katastrophe in Aussicht, die womöglich allein durch den Homo sapiens verschuldet wäre. Aufgrund ihrer extremen Anpassungsfähigkeit sei dann zu erwarten, dass fast ausschließlich Bakterien unbeschadet aus einem solchen Szenario hervorgingen.

Schon jetzt, so berichtet der Anthropologe Volker Sommer, seien nicht nur Avertebraten und urtümliche Wirbeltiere, sondern auch verschiedenste Affenarten ernsthaft in ihrem Fortbestehen bedroht,  also des Menschen nächste Verwandtschaft. Wilderei, aber vor allem auch die Nutzbarmachung vormals naturbelassener Landschaften, lassen den Lebensraum der Affen-Arten zunehmend schrumpfen. In der Folge werden wohl ganze Primatengruppen die Zukunft unseres Planeten nicht mehr erleben können.

Doch das Buch hegt den Anspruch, nicht nur düstere Prognosen für die Zukunft unserer Umwelt zu stellen und die Definition eines neuen Zeitalters zu diskutieren. Es geht auch um die Frage, wie der Mensch seiner besonderen Verantwortung gegenüber der Welt, in der er lebt, gerecht werden kann und sollte. So befasst sich die Wissenschaftlerin Ute Eser mit dem Konflikt zwischen Humanität und Natur. Die Forscherin, die einen Tätigkeitsschwerpunkt auf den Bereich der Umweltethik legt, wendet die Frage „guten und richtigen Handelns unter gegebenen Bedingungen und Handlungsmöglichkeiten…auf die Haltungen von Personen und Institutionen“ (Definition der Ethik nach Mieth 1995) auf den Umgang des Menschen mit seiner Umwelt an. Sie betont, dass es eine unzulässige Vereinfachung sei, in der Existenz einer ständig anwachsenden Weltbevölkerung, nichts anderes als eine „Krankheit“, vergleichbar einem „Krebsgeschwür“, zu sehen. Stattdessen sei ein „inklusives Verständnis von Menschsein“ notwendig, das die Spannung zwischen den Polen aushalten solle, „statt sie einseitig zugunsten einer Seite aufzulösen“. So gehe es nicht darum, ein negatives Menschenbild aufrecht zu erhalten, sondern die Vor- und Nachteile aus der Nutzung der Natur weltweit gerechter an die gesamte Weltbevölkerung zu verteilen und dabei eine emotionale Naturverbundenheit zu entwickeln.

Ethische Aspekte verfolgen auch die Theologen Markus Vogt, Wolfgang Schürger und Hans Jürgen Münk. Vogt betont den Begriff der Humanökologie, der zufolge die Beziehungen des Menschen zu seiner natürlichen Umwelt einerseits und zu seiner kulturellen Umwelt andererseits konsequenter miteinander zu verknüpfen seien. Schürger prägt den Begriff der „Mitgeschöpflichkeit“ und appeliert für mehr Respekt anderen Arten gegenüber. Der Schweizer Münk leitet den Begriff der „Würde der Kreatur“ als Rechtsbegriff aus dessen Geschichte als Bestandteil der schweizerischen Bundesverfassung her. Der Terminus wurde 1992 im Zusammenhang mit den Fortschritten der Gentechnologie und der Reproduktionsmedizin via Volksentscheid in einen neuen Verfassungsartikel aufgenommen. Juristisch wird die „Kreatur“ jedoch nur auf die belebte Umwelt bezogen. Daher empfiehlt der Autor die künftige Einbindung von einer „Würde der Natur“. Die formal-juristischen Ausführungen werden anschließend auch theologisch kommentiert. Dabei möchte Münk klar abgegrenzt wissen, welchen Lebewesen überhaupt Würde zukommen könne. Zu berücksichtigen sei zwar, dass in Gen1,26-28 dem Menschen immerhin eine Sonderstellung eingeräumt werde. Dessen Gemeinsamkeit mit der belebten und unbelebten Natur liege aber immerhin „im Bezug zum gleichen Schöpfer, im Merkmal der Mitgeschöpflichkeit“.

Die theologisch motivierten Kapitel lesen sich aus Sicht eines Naturwissenschaftlers und Humanisten furchtbar, und ich möchte sie daher erst gar nicht zur Lektüre empfehlen. Das Gedankengut der göttlichen Schöpfung, also der Kreationismus, hat in der Moderne, einer aufgeklärten Zeit, schlicht keinen Platz. Weder Bibelworte noch Begriffe wie „Mitgeschöpflichkeit“ sind geeignet, den sachlichen und sehr konkreten Konflikt des Menschen mit seiner Umwelt zu lösen. Eine hoffentlich rosige Zukunft auf der Erde erfordert hingegen Wissen, technologischen Fortschritt und freies Denken. Der christlich motivierte Kreationismus hingegen fördert Unwissen und eine naive und unkritische Glaubensbereitschaft. Wohin auch immer sich die Kirche mit missionarischem Eifer in den vergangenen Jahrhunderten ausgebreitet hat, brachte sie schlimme durch den Menschen verursachte Umwelt-Katastrophen sowie unerträgliches menschliches Leid hervor. Ich will der Theologie daher die Fähigkeit einer konstruktiven Mitgestaltung unserer bedrohten Zukunft rigoros absprechen.

Viel interessanter ist doch die seriöse wissenschaftliche Diskussion, die beispielsweise die Frage aufwirft, inwieweit wir technisch überhaupt imstande sind, die zunehmende Erderwärmung einzudämmen. Welche Möglichkeiten hierzu werden diskutiert? Und ist es sinnvoll, von ihnen überhaupt Gebrauch zu machen? Der Autor, Claudio Caviezel ist Mitarbeiter im Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag und stellt aktuelle Konzepte eines Climate Engineerings vor. Zur Diskussion stehen demnach derzeit zwei Verfahren, um die zunehmende Klimaerwärmung künstlich abmildern zu können. Das Carbon-Dioxide-Removal (CDR) legt es darauf an, erhöhte Konzentrationen an CO2 „aus der Atmosphäre zu entfernen“. Eine Reduktion der eintreffenden Sonneneinstrahlung versprechen zudem die Verfahren des Radiation-Managements (RM).

Beide Verfahren sind derzeit noch nicht einsatzbereit und werden zunächst in Form von Computersimulationen getestet. Dabei wurden jedoch auch drohende Nebenwirkungen ersichtlich, die mitunter schwerwiegende ökologische Schädigungen zur Folge haben können. Aber auch drohende gesellschaftliche Konflikte lässt der Autor nicht unberücksichtigt. Verschiedene CDR-Ansätze existieren, am häufigsten jedoch wird die Möglichkeit diskutiert, die Ozeane mit Nährstoffen zu düngen, um die Biomasse an Algen erheblich zu erhöhen, die dann CO2 aus der Atmosphäre in beträchtlicher Weise binden könnten. Naheliegend ist allerdings die gut begründete Befürchtung, dass der künstlich hervorgerufene Erfolg bestimmter Arten den Misserfolg anderer Arten mit sich führen würde. Doch auch die Verbringung von Schwefelpartikeln in höhere Atmosphären-Schichten (eine Version des RM) führt zwar eventuell zu einer so starken Rückreflektion der Sonneneinstrahlung, dass die Erdoberfläche vor einer Überhitzung geschützt würde, jedoch wäre der Effekt nicht selektiv einsetzbar und könnte daher zu weitreichen klimatischen Veränderungen auf globaler Ebene führen. Außerdem hätte ein plötzliches Aussetzen der Technologie einen abrupten Klimaanstieg zur Folge, und zwar mit praktisch unkontrollierbaren Konsequenzen.

Doch auch negative geopolitische Konsequenzen beschäftigen den Autoren, denn das Climate-Engineering ermögliche es nur „potenten“ Staaten, dem Problem des Klimawandels entgegen zu arbeiten. Dabei seien sie nicht „auf die Kooperation mit oder die Zustimmung von anderen Staaten angewiesen. „Ein fundamentaler Gegensatz zur bisherigen Klimapolitik“, der zufolge nämlich in der globalen Gemeinschaftlichkeit die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren sei.

Interessant ist zudem, dass die Thematik des Climate Engineering in der politischen und medialen Landschaft noch kaum bekannt ist, weswegen die differenzierte Einführung in diese neue Forschungsdisziplin durch den Autor Caviezel aus meiner Sicht wichtig für konstruktive Diskussionen um die globale Klimaerwärmung sein kann.

Der Erhalt einer stabilen Umwelt hängt natürlich auch von der Frage ab, wie viel Lebensraum künftig anderen Arten überlassen werden sollte, bzw. wie viel Platz wir selbst benötigen und einnehmen dürfen, ohne Klima und Artenvielfalt nachhaltig zu schädigen. Dieser Thematik nimmt sich Christina von Haaren an, deren Forschungsschwerpunkte unter anderem Umweltethik und Naturschutzkommunikation sind. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Naturwissenschaften keine ausreichenden und daher verbindlichen Normen, insbesondere im Hinblick auf unsere Zukunft, liefern können. Daher würden gesellschaftliche Normen benötigt, die durch Volksvertreter in Form von Gesetzen zu verankern seien. Diese sind der Autorin zufolge so zu formulieren und zu begründen, dass sie für jeden Bürger „im Prinzip nachvollziehbar“ seien, „auch wenn die persönlichen Interessen im konkreten Fall konträr sein mögen“.

Kurz kommt sie sogar auf die Bedeutung der Religionen für den Umweltschutz zu sprechen. So schreibt von Haaren, es sei hilfreich, dass der Papst in seiner letzten Enzyklika von 2015 deutlich zum Umweltschutz aufrufe. Sie schlussfolgert aber: „Grundsätzlich müssen jedoch religiöse Begründungen nicht für alle Mitglieder unserer Gesellschaft im Prinzip nachvollziehbar sein“.

Abgesehen von seinem unverhältnismäßig starken Schwerpunkt in den Bereichen der Theologie, der immerhin gleich drei Kapitel füllt, ist das Buch „Die Welt im Anthropozän“ auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und befasst sich in kontroverser Diskussion und aus den Blickwinkeln ganz verschiedener Wissenschaftsdisziplinen mit nichts Geringerem als unserer Zukunft auf der Erde. Die Lektüre bildet, ist gut verständlich und daher empfehlenswert.

 

 

 

 

Kanzlerin Dr. Angela Merkel fordert vom deutschen Volk eine Rückbesinnung zu mehr religiöser Spiritualität

Es ist zugegebenermaßen eine Zumutung, die die offenbar schon leicht ermüdete Kanzlerin über sich ergehen lassen muss. So ist sie am 3. September 2015 extra nach Bern gereist, um den Ehrendoktertitel durch die dortige Universität entgegenzunehmen, hat sich die Laudatio des Direktors Martin Täuber angehört, um dann anschließend selbst eine Dankesrede zu halten.

Zum Abschluss gibt es noch einige Fragen durch das Publikum an die Kanzlerin. Schließlich passiert das Unvermutete, eine einfache populistische Frage lässt sie ganz offenbar vollständig die Contenance verlieren. Es scheint, als sei ihr jeder intellektuelle Kontrollmechanismus abhanden gekommen, wodurch sie vor laufenden Kameras ein ungefiltertes Bild über das Selbstverständnis der deutschen Regierungspartei offenbart. Frau Dr. Merkel wirkt noch unbeholfener als sonst. Die Haare sitzen wie eine schlecht auftoupierte Perücke, die Augen wirken klein und eingefallen, die Mundwinkel-Falten ziehen sich tief gefurcht bis unter das Kinn herab. Und Frau Dr. Merkel redet sich um Kopf und Kragen, ihre Ausführungen wirken so krude und unüberlegt, dass die konservativen Medien im Ausland voller Schadenfreude triumphieren.

Was genau ist eigentlich geschehen? Eine Frau mittleren Alters, Blümchenbluse, blonde Schulmädchen-Frisur und übergroße eckige Plastikbrille, möchte wissen, was im Grunde jeder ausländerfeindliche Populist in Deutschland gerne fragen würde. Es gehe doch darum, das Volk auch zu schützen, schließlich „…kommen ja noch mehr Leute mit einem islamischen Hintergrund zu uns. Und ich glaube, was der Herr vorhin angesprochen hat, beinhaltet ja auch eine große Angst hier in Europa zu dieser Islamisierung, die immer mehr stattfindet. Wie wollen Sie Europa in dieser Hinsicht und unsere Kultur schützen?“.

Die Frage birgt nichts Neues, man könnte sie leicht souverän beantworten. Schließlich gibt es keinerlei Hinweise auf eine Bedrohung durch Flüchtlinge. Auch die freche Unterstellung, Deutschland islamisieren zu wollen, lässt jedes argumentative Fundament vermissen. Der Deutsche an sich neigt nun einmal zur Fremdenfeindlichkeit und schreckt daher auch nicht davor zurück, sogar den Diebstahl von Steuergeldern zu unterstellen. Der brave Bürger kann sich offenbar nicht vorstellen, dass hilfebedürftige Ausländer weder per se gefährlich sind noch die Staatskasse aus Steuergeldern über Gebühr belasten. Ganz davon zu schweigen, dass eine große Zahl deutscher Steuerzahler selbst ausländische Wurzeln hat und dass Steuersünder, die ihre Schwarzgeld- Bankkonten im Ausland anlegen, dem deutschen Volk weitaus größeren Schaden zufügen als jeder einzelne Flüchtling jemals vermag.

Doch Frau Merkel argumentiert anders. Ihr Mund verkleinert sich, und verkniffen presst sie die Lippen aufeinander. Die Augen sind zwei schmale dunkle Spalten, und es scheint, als rutsche ihr gleich das Toupet vom Kopf. Der islamistische Terror befinde sich in Syrien, Lybien und dem Norden des Irak, zu dem die Europäische Union leider jedoch eine Vielzahl von Kämpfern beigetragen habe. Überhaupt sei Angst nie ein guter Ratgeber gewesen, weder im persönlichen noch im gesellschaftlichen Leben.

So weit, so mit gutem Willen noch akzeptabel. Zwar tut sich mir die Frage auf, ob eine Schuldanerkenntnis des Westens an der eskalierenden Gewalt im nahen Osten tatsächlich mit Verweis auf immerhin in Deutschland aufgewachsene Terroristen erfolgen sollte. Das benachbarte Ausland jedenfalls spöttelt über diesen eher hilflos wirkenden Argumentationsstrang. Vielmehr hat doch der Westen, insbesondere USA und Großbritannien, aus wirtschaftlichem Kalkül heraus militärische Interventionen in den betreffenden Ländern durchgeführt und damit Hassreaktionen der Bevölkerung hervorgerufen. Das verschweigt die Kanzlerin hier. Und dafür habe ich Verständnis, schließlich beabsichtigt sie ganz offensichtlich, sich aus dieser universitären Veranstaltung herauszuwinden, ohne im Publikum polarisierende Wirkungen zu erzeugen.

Doch da hat die Kanzlerin nicht nachhaltig gedacht. Denn eine Bemühung um kurzfristige Unauffälligkeit kann langfristig schadhaft sein. Frau Dr. Merkel muss sogar damit rechnen, dass die Aufzeichnung dieser Peinlichkeit lebenslang von den Medien hervor gekramt werden wird, immer dann, wenn vom Image der Ex-Kanzlerin und ihrer historischen Bedeutung die Rede sein soll.

Doch warum eigentlich peinlich? Bisher wurde doch lediglich mangelnde rhetorische Eleganz bemängelt, eine Eigenschaft, für die die Kanzlerin bereits seit ihrer Amtsübernahme bekannt ist. Nichts Neues also, könnte man meinen.

Doch, oh Schreck, ihre Einlassungen zur Beantwortung der Frage aus dem Publikum sind noch nicht abgeschlossen. Was nun kommt, ließ mir aus Fremdscham die Nackenhaare zu Berge stehen.

Zunächst führt sie noch aus, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Eine eigenartige Formulierungsweise, wie ich finde, sollte es doch eigentlich besser heißen: Muslimische Menschen gehören zu Deutschland. Doch erbost und verständnislos nehme ich erst die folgenden Ausführungen der Kanzlerin zur Kenntnis:

„Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wir haben doch alle Chancen und alle Freiheiten uns zu unserer Religion, sofern wir sie ausüben und an sie glauben, zu bekennen. Und wenn ich was vermisse, dann ist das nicht, dass ich irgendjemandem vorwerfe, dass er sich zu seinem muslimischen Glauben bekennt, sondern dann haben wir doch auch den Mut zu sagen, dass wir Christen sind, haben wir doch den Mut, zu sagen, dass wir da in einen Dialog eintreten. Haben wir…(Stotterer, Anm. Autor)…dann aber auch bitteschön die Tradition, mal wieder in den Gottesdienst zu gehen oder bisschen bibelfest zu sein und vielleicht auch mal n‘ Bild in der Kirche noch erklären zu können, und, wenn Sie mal Aufsätze in Deutschland schreiben lassen, was Pfingsten bedeutet, da würd ich mal sagen, isses mit der Kenntnis über das christliche Abendland nicht so weit her. Und sich dann anschließend zu beklagen, dass Muslime sich im Koran besser auskennen, das find ich irgendwie komisch. Und vielleicht kann uns diese Debatte auch mal wieder dazu führen, dass wir uns mit unseren eigenen Wurzeln befassen und n‘ bisschen mehr Kenntnis darüber haben. Und insofern finde ich diese Debatte sehr defensiv. Gegen terroristische Gefahren muss man sich wappnen. …“

Im Anschluss weist Frau Merkel noch darauf hin, dass wir als Deutsche aufgrund unserer historischen Vergangenheit nun wahrlich kein Anrecht auf  „Hochmut“ besäßen. Vielleicht hat sie damit recht. Doch befassen möchte ich mich mit den epischen Ausführungen, die hier in wörtlicher Rede widergegeben sind.

Was genau soll hier vermittelt werden? Unterstellt Frau Dr. Merkel Neid als Ursache für Vorbehalte gegen muslimische Einwanderer, Neid auf eine kulturell-religiöse Identität, die jene Einwanderer besitzen, den zunehmend atheistisch werdenden Deutschen aber fehlt? Oder hat sie sich schlicht im Fach des Zynismus versucht, frei nach dem Motto: Wenn Ihr die komplexe Problematik der Flüchtlingsströme nach Deutschland auf religiöse Vorbehalte reduziert, befasst Euch doch erst einmal mit Eurer eigenen Religion?

Aus Gründen meiner Einschätzung ihres allgemeinen Intellekts traue ich Frau Dr. Merkel dies jedoch nicht zu. Als Vorsitzende einer Partei, die die christliche Religion im Parteilogo trägt, meint sie tatsächlich, was sie sagt, vermisst sie in der Tat die Kenntnis der jüngeren Generation darüber, was Pfingsten eigentlich sei.

Was ist Pfingsten? Natürlich weiß ich das nicht mehr, habe es absichtlich vergessen, aber für diesen Artikel extra einmal nachrecherchiert. Und das, obwohl ich aus reiner Bequemlichkeit der Evangelischen Kirche NOCH nicht ausgetreten bin und obwohl ich (als evangelische Minderheit) eine katholische Privatschule besucht habe.

Pfingsten feiert die „Ausgießung“ des heiligen Geistes. Jener, so die biblische Überlieferung, kam nämlich auf die Jünger und Apostel herab, während sie sich zur Begehung des jüdischen Festes Schawuot zusammenfanden. Die Bibel schildert das Ereignis ausführlich, beispielsweise in der Apostelgeschichte des Lukas (Apg2, 1-4, EU): „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“.

Frau Dr. Merkel: Deutschland braucht keinen Glauben an nicht belegbare Wundergeschichten. Deutschland braucht Bildung. Deutschland war weltweit führend, beispielsweise im Bereich der Naturwissenschaften. Das haben Sie abgeschafft! Hochqualifizierte Forscher flüchten längst ins Ausland, denn sie haben in Deutschland kaum noch Aussichten auf eine Anstellung. Und das, weil Sie, Frau Kanzlerin (bzw. Ihre Regierung), fleißig Forschungsstellen gestrichen haben!

Warum Sie das getan haben (bzw. Ihre Regierung)? Um Kritiker wie mich mundtot zu machen, Kritiker, denen vor Entsetzen schwindelig wird, wenn sie sich Ihre öffentlichen Auftritte anschauen müssen. Kritiker, die zwar voller Mitleid mit Ihnen fühlen, wenn man Sie unvorbereitet mit Fragen konfrontiert, die Ihnen dann aber beim besten Willen nur ein „ausreichend minus“ bescheinigen können, und zwar dafür, dass Sie überhaupt zum Interview erschienen sind.

So auch beim Interview, das Sie, Frau Dr. Merkel, am 7.10.2010 in der ARD bei Anne Will zu bewältigen hatten. Wie Sie sich geschlagen haben, wollen Sie von mir wissen, Frau Merkel? Wie üblich, ist meine Antwort, gerade so bestanden mit einem ausreichend minus, der Anwesenheit wegen!

Deutschland braucht keine Kanzlerin, die für wirre Äußerungen wie die folgende in die Geschichte eingehen wird: „…Dann ist doch die Aufgabe, dass man so heran geht, dass man es schafft, und dann kann man das auch schaffen. Und ich hab überhaupt keinen Zweifel, und stellen Sie sich mal vor, wir würden alle miteinander erklären, wir schaffens nicht. Und dann? Das geht doch nicht!“ (Zitat: ARD, „Anne Will“, 07.10.2015, 21:45).

Nein, Frau Dr. Merkel, da haben Sie recht, das geht so doch nicht! Sie und Ihre Partei sowie Ihre Regierung gehen nicht, und zwar so gar nicht!